Der Vormittag begann mit einer „Spazierfahrt“ (so der Programmname zur von Frau Vera kommentierten Bustour). Wir Schachis haben unseren eigenen kleinen Reisebus, während sich Tischtennis und Eishockey, die ja auch viel Sportzeugs dabei haben und immer im Sportkomplex sind, sich den großen Bus teilen. Der Weg führte uns quer durch Moskau, vorbei am beeindruckenden Hauptgebäude der Lomonossov-Universität, über das Neue Jugenfrauenkloster zum Park „Tsaritsino“. Dabei handelt es sich um die ehemalige Sommerresidenz von Zarin Katharina II. (die sie allerdings nur einen Sommer nutzte). Nach einem kurzen Rundgang im Park nebst Führung konnten wir noch das Hauptgebäude besichtigen. Dabei hat sich das Wetter von seiner besten Seite gezeigt.
Der Weg zurück zum Hotel wurde durch den uns inzwischen ungewollt vertrauten
Moskauer Verkehr zeitlich verlängert, sodass Mittagessen und Abreise in aller
Eile stattfanden.

Denn schließlich sind wir ja zum Schachspielen hier und heute Nachmittag standen die ersten Partien auf dem Plan. Leider liegt die Schachschule „Perovo“, in der wir heute zu Gast waren, weit von unserem Hotel entfernt, sodass uns eine weitere lange Autofahrt nicht erspart blieb. Aber die Stimmung im Bus war trotz Verkehrs sehr gut, jegliche Schlafversuche wurde im Keim erstickt. Leon versuchte sich als Stimmungskanone und Motivator und sorgte allein dadurch für
breite Heiterkeit.
Angekommen in der Schachschule wurden wir zunächst vom Direktor der Schule begrüßt. Danach ging es sogleich an die Partien. Wir spielten an 10 Brettern gegen eine Auswahl der Schule, die in ungefähr eine ähnliche Altersstruktur wie unsere Gruppe hatte. Die Bedenkzeit betrug 25 min plus 10 Sekunden pro Zug. Es wurde mit Hin- und Rückspiel gespielt. Zu Beginn wurden natürlich Gastgeschenke ausgetauscht. Bedingt durch unsere Kofferkapazität hatten wir „nur“ Gummibärchen (gibt es in Russland anscheinend nicht) und niegelnagelneue Kugelschreiber der Schachjugend in Berlin dabei, während es für uns alle Kugelschreiber, Notationshefte und einen Pokal als Andenken gab. Margarita wurde sogleich von einem Moskauer Fernsehteam in Beschlag genommen und stand fleißig Rede und Antwort im Interview.

Nachdem unsere Spieler die Elo-Zahlen der Gegner gesehen hatten, machte sich leichte Resignation breit, da wir an vielen Brettern mindestens um 100 Elo-Punkte unterlegen waren. Aber was sagt eine Zahl schon aus? Und schließlich ist Schnellschach ja sowieso was anderes! Gespannt und neugierig gingen wir also in die Partien.
Auf Wunsch der Schachschule hatten wir unsere drei Mädels an die letzten Bretter gesetzt, damit sie gegen die Spielerinnen der Schule kamen. Bei den mit * gekennzeichneten Zahlen handelt es sich wohl um die nationale Wertzahl, alle anderen sind Elos. Die Ergebnisse der ersten Runde sind folgende (unser 1. Brett hatte weiß).
1. Jan Paul Cremer (2056) 1 – 0 Daria Pustovoitova (2315)
2. Leonid Sawlin (1874) 1 – 0 Stanislav Romanov (2114)
3. Marko Perestjuk (1969) r – r Denis Moshensky (2067)
4. Robert Münch (1890) 0 – 1 Nikita Afanasiev (1998)
5. Leon Rolfes (1830) 1 – 0 Vadim Fetisenkov (1989)
6. Richard Pixa (1835) 1 – 0 Anton Dronov (1929)
7. Fabian Alcer (1723) 1 – 0 Alexey Pavlenko (1712*)
8. Margarita Kostré (1791) 0 – 1 Maya Tereshechkina (2100)
9. Elisabeth Koch (1666) 0 – 1 Ekaterina Frolova (1992)
10. Hanna Greßmann (1291*) 0 – 1 Dana Belgorokova (1867*)
Gesamt 5,5 – 4,5

Die erste Runde ging an uns. Leon war schon sehr früh mit seiner
Partie fertig war und stieß anscheinend auf wenig Gegenwehr. Fabi spielte eine sehr gute Partie mit einer sehr schönen Endspielabwicklung. Leider ist diese Partie nicht erhalten geblieben, da Felix und Steffi bei anderen mitschrieben, während Helmut und ich uns die internen Meisterschaften u10 der Schule anschauten, die in etwas mit einer Vorrunde in Berlin vergleichbar waren. Die mitgeschriebenen
Partien werden zurzeit von Steffi mit den Spielern analysiert. Nach einer
kurzen Pause ging es gleich ins Rückspiel, mit vertauschten Farben:
1. Jan Paul Cremer (2056) 0 – 1 Daria Pustovoitova (2315)
2. Leonid Sawlin (1874) 0 – 1 Stanislav Romanov (2114)
3. Marko Perestjuk (1969) 1 – 0 Denis Moshensky (2067)
4. Robert Münch (1890) 1 – 0 Nikita Afanasiev (1998)
5. Leon Rolfes (1830) r – r Vadim Fetisenkov (1989)
6. Richard Pixa (1835) 1 – 0 Anton Dronov (1929)
7. Fabian Alcer (1723) 1 – 0 Alexey Pavlenko (1712*)
8. Margarita Kostré (1791) 0 – 1 Maya Tereshechkina (2100)
9. Elisabeth Koch (1666) 0 – 1 Ekaterina Frolova (1992)
10. Hanna Greßmann (1291*) r – r Dana Belgorokova (1867*)
Gesamt 5 – 5
Ein Mannschaftsremis im Rückkampf. Damit ging der Gesamtsieg mit dem denkbar knappsten Ergebnis von 10,5 zu 9,5 an Berlin. Die Partie von Fabi
wurde diesmal von Anfang an mitgeschrieben, nur war der Sieg nach einem
Bauerneinsteller und einem weiteren Leichtfigurenverlust des Gegners bereits kurze Zeit später klar, was ihn aber nicht schmälert. Er und Richard stehen mit 100% sehr gut da. Hanna konnte in schlechterer Endspielstellung ein Remis gegen eine 600 Punkte bessere Gegnerin erzielen und damit kurz vor Schluss zusammen mit Leon das Mannschaftsremis klar machen. Zwar ärgerten sich Leonid und Elisa über ihre unnötig verlorenen Partien, aber der, wenn auch knappe, Gesamtsieg ist mehr, als wir alle zunächst erwartet hatten. Die nächste Woche finden noch zwei weitere derartige Vergleichskämpfe statt, die, wie wir heute erfahren haben, Bestandteil eines Turniers mit vier Mannschaften sind.

Nun gab es (Schwarzen) Tee und Gebäck zur Stärkung, während wir vier Betreuer am ‚Runden Tisch‘ mit den Trainern der Schachschule ein paar Erfahrungen austauschen konnten. So erfuhren wir u.a., dass diese Schule die derzeit erfolgreichste der vier Schulen in Moskau ist, dass eine Trainerausbildung 5 Jahre dauert (Universitätsstudium) und dass die Trainer nach dem Erfolgt ihrer Schützlinge bezahlt werden. Allerdings wird alles staatlich finanziert und die Trainingsbedingungen dort waren wirklich hervorragend. In der Schachschule trainieren ca. 800 Kinder und Jugendliche (zum Vergleich: die Schachjugend in Berlin zählt 500 Spieler).
Zurück im Hotel schmieden wir Pläne für den Ablauf der nächsten Tage und haben angefangen das Mörder-Spiel zu spielen. Der morgige Tag wartet mit einer Exkursion ins Sportmuseum und einer kleinen Moskau-Metro-Tour auf.